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Kreis will Crivitzer Krankenhaus in kommunale Hand zurückholen

Mit der Schließung der Kinderklinik Parchim fing alles an. Als dann auch die Gynäkologie und Geburtenstation in Crivitz schließen sollten, beschloss der Kreistag den Krankenhausstandort in kommunale Hand zurückzuholen.

Wird das Modell die Zukunft der Krankenhauslandschaft in Deutschland sein?

Seit Jahren schon beklagen Klinikbetreiber in Deutschland, insbesondere in ländlichen Regionen, dass einige Stationen mangels Auslastung nicht mehr wirtschaftlich geführt werden könnten. Ein weiteres großes Problem sei der immer stärker zunehmende Mangel an Ärzten und medizinischem Fachpersonal.

Diesen Gründen sollte im letzten Sommer auch die Kinderstation der Asklepios Klinik in unserer Kreisstadt Parchim zum Opfer fallen und wurde vorübergehend geschlossen. Nur wollte das so richtig niemand glauben und schon gar nicht hinnehmen. Denn nach Hintergrundinformationen hatten die Klinikbetreiber, anders als von ihnen behauptet, auch gar nicht intensiv nach neuen ÄrztInnen gesucht. Schnell wurde außerdem deutlich, dass ohne Kinderklinik auch die Geburtenstation am Standort gefährdet ist. Denn sollte es zu einem Notfall kommen, ist die nächste Klinik erst in der Landeshauptstadt Schwerin, 50 Kilometer entfernt. Das schien die Klinikleitung zunächst wenig zu stören, brachte aber das Fass bei den Bürgern und uns politischen Akteuren zum Überlaufen. Eine Petition mit tausenden von Unterschriften, Demonstrationen, Presseberichte und dutzende Gespräche setzten die Betreiber und mehr noch den zuständigen Minister Harry Glawe (CDU) unter Druck.

Was uns alle in diesen Wochen einte, war die Sorge um die Pädiatrie und Geburtenstation des Hauses, nur der ein oder andere Weg sehr umstritten. Gleich in Ideologie zu verfallen und über Rekommunalisierungen nachzudenken, ohne überhaupt miteinander zu sprechen, ist nicht unser Weg, solche schwierigen Probleme zu lösen. Es ist wichtig, zunächst die Interessenlagen zu erfragen, um eine wirklich zukunftsfähige Lösung zu finden. Hysterie schrecke nur interessierte Ärzte ab. Und zur Wahrheit gehört auch dazu, dass wir, als wir in den 1990-er Jahren schon einmal auf die Straße gegangen waren, um das Krankenhaus vor einer Schließung zu bewahren, alle froh waren, dass es seinerzeit vom Asklepios-Konzern übernommen wurde. Und wir haben gemeinsam alles daran gesetzt, dass es sich in den zurückliegenden Jahren gut entwickelt hat.

Deshalb hat Wolfgang Waldmüller zunächst einmal einen gemeinsamen Termin mit Gesundheitsminister Glawe vermittelt. Die Klinikleitung sollte sagen, wie es nach ihrer Vorstellung gehen könnte. Das dann Anfang Dezember vorgelegte Ergebnis war allerdings wenig überzeugend und löste Streit auf allen Ebenen, auch im Landtag aus. Im Kompromiss sollte nun eine Sektor übergreifende Kooperation mit niedergelassenen Ärzten unter Zusage der Finanzierung einer Kinderarztstelle durch das Land die Pädiatrie und in Folge auch die Geburtenstation in Parchim sichern, allerdings die Gynäkologie und Geburtenstation der MediClin Krankenhaus am Crivitzer See GmbH, nur 25 Kilometer entfernt, deren Anteile zu 52{98045d73ab9c19c8d7dc17a38a04534c960b79b34656a53ab5dcdfb9d1cc42cc} der Asklepios Konzern hält, geschlossen werden.

Hier musste ganz klar nachgebessert werden. Nur wie? Man entschloss sich die Schließung bis zum 30. Juni 2020 aufzuschieben unter gleichzeitiger Vorlage eines Konzeptes zur künftigen Struktur. In Land- und Kreistag beschlossene Anträge bekundeten deutlich den Erhaltungswillen zu beiden Geburtenstationen. Das mit Kinderkliniken und Geburtshilfe in kleinen Krankenhäusern nicht das große Geld verdient werden kann, ist kein Geheimnis, doch gehören die Bereiche einschließlich Gynäkologie für uns zur medizinischen Grundversorgung in der Fläche. Andere nennen es Daseinsvorsorge. Und genau dann kann man mit der CDU auch über Formen öffentlicher Beteiligung sprechen.

Schnell wurde in den weiteren Gesprächen zu möglichen künftigen Strukturen aber deutlich, dass für den Standort Crivitz nicht nur die Geburtenstation gefährdet sei, sondern MediClin mit dem Gedanken spiele, den Standort Crivitz ganz aufzugeben. So wurde die Idee einer Rekommunalsierung dieses Krankenhauses dann von allen Fraktionen des Kreistages ernsthaft aufgegriffen und vorbereitet, um die medizinische Versorgung vor Ort zu sichern und auch die Geburtshilfe zu erhalten.

Am 04. Juni 2020 beschloss der Kreistag mit breiter Mehrheit den Kauf des Krankenhauses von MediClin und will die Klinik zum neuen Jahr übernehmen. Dafür wird eine gemeinnützige Gesellschaft (Ludwigslust-Parchimer Klinik Gesellschaft mbH) mit dem Zweck der Förderung des Gesundheitswesens, der Krankenpflege und der medizinischen Versorgung im Kreisgebiet gegründet. Gleichzeitig erarbeiten Experten ein Konzept für die Zukunft des Hauses, das dem Kreistag nun im Herbst vorgelegt werden soll. Es ist davon auszugehen, dass eine Änderung der medizinischen Ausrichtung des Hauses angegangen werden muss. Dazu werden jetzt mögliche Kooperationen oder auch die Beteiligung eines privaten Krankenhausträgers mittels eines Interessenbekundungsverfahrens ausgelotet.

Doch wird auch mit der Rekommunalisierung das Problem der auskömmlichen Finanzierung einzelner Stationen noch nicht gelöst sein. Denn auch ein öffentlicher Träger muss wirtschaftlich arbeiten und kann sich nicht dauerhaft aus Steuergeldern bezuschussen lassen. Heißt: Die Rekommunalisierung allein ist kein Allheilmittel. Das Problem ist weit größer und wird, wenn nicht schon geschehen, auch andere  Krankenhäuser in ländlichen Regionen ereilen.

Aus diesem Grund hat jetzt auch der Landtag Mecklenburg-Vorpommern eine Enquete-Kommission „Zukunft der medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern“ eingerichtet, die sich mit Themen wie Fachkräftegewinnung, Ausbildung von medizinischen Berufen, Sicherung der Pflege, hebammengeführter Kreissaal und nicht zuletzt auch mit Abrechnungssystemen beschäftigen und Lösungsansätze erarbeiten wird. Unsere Hausaufgaben fangen also damit erst an.