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Bericht aus Schwerin 03-2018 Wolfgang Waldmüller

Herr Waldmüller, Sie sind seit drei Wahlperioden im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Wie hat sich das Land in dieser Zeit entwickelt? 

Wolfgang Waldmüller, MdLIn den vergangenen Jahren haben wir einen ungeheuren Aufholprozess hingelegt. Deutlich wird dies bei den Arbeitsmarktdaten: Die Arbeitslosigkeit hat sich seit Ende von Rot-Rot halbiert. Über 50.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse sind entstanden. Ich erinnere mich genau an die Ausbildungszahlen zu Beginn meiner ersten Wahlperiode. Wer damals eine berufliche Ausbildung machen wollte, hatte es noch schwer in M-V. Heute suchen Ausbildungsbetriebe händeringend nach Fachkräften.

Eine positive Entwicklung.

Grundsätzlich schon. Die Startbedingungen für Azubis waren selten besser. Für Ausbildungsbetriebe hingegen ist die Situation alarmierend. Wir müssen umdenken!

Inwiefern?

Ich sorge mich, dass wir in der Berufsfrühorientierung einem Akademisierungswahn erliegen könnten. Eine akademische Ausbildung ist aber keineswegs der Königsweg für eine berufliche Karriere.

Wo sollte gegengesteuert werden?

Die Berufsfrühorientierung muss sich auch an Gymnasien stärker der beruflichen Ausbildung gegenüber öffnen. Mit der Bildungsministerin Hesse sind wir Ende 2016 übereingekommen, dies deutlicher als bisher in der Berufsfrühorientierungsrichtlinie festzuschreiben. Die Wirkung dieser Neuausrichtung sollte nun aber überprüft werden. Zudem sollten bestehende Kampagnen für die Berufliche Bildung sich nicht nur an Schüler, sondern auch stärker an Lehrer und Eltern wenden.

Die Werbetrommel für die Berufsausbildung soll also kräftiger gerührt werden. Warum ist das denn überhaupt notwendig? 

Nach meiner Einschätzung ist nicht genügend Schülern aber auch Eltern und Lehrern ausreichend bewusst, dass eine berufliche Ausbildung oft ebenso gute Karrierechancen bietet, wie eine akademische Ausbildung. Um dieses Bewusstsein zu stärken sollte das Land mit gutem Beispiel vorangehen. Denken Sie an die Fahrkostenzuschüsse für Berufsschüler. Hier deutet schon der geringe Mittelabruf darauf, dass die Kriterien viel zu streng sind. Wenn wir aber eine berufliche Ausbildung interessanter machen wollen, dann müssen Kriterien für Fahrkostenzuschüsse eine größere Anzahl an Jugendlichen begünstigen. Und auch die Digitalisierung spielt sowohl als Lernmittel als auch als Lerngegenstand an den beruflichen Schulen nur eine überschaubare Rolle. Das ist vollkommen unzeitgemäß. In der ganzen Welt wird das deutsche Modell der Dualen Ausbildung bewundert. Gemessen daran behandeln wir selbst dieses Erfolgsmodell zu stiefmütterlich.

Gleichwohl gibt es im Ausland nicht nur wohlmeinende sondern auch kritische Töne zum deutschen System der Dualen Ausbildung, etwa aus Brüssel.

Sie spielen sicher auf die Pläne der EU an, die in der Regel mit dem Etikett einer „Erleichterung des Zugangs auf den deutschen Arbeitsmarkt“ daherkommen. Schon aus verbraucherschutzrechtlichen Gründen warne ich vor diesem Etikettenschwindel. Denn hier wollte man unter anderem die Axt an die Meisterqualifikation legen. Die hat sich aber bewährt und ist z.B. ein wichtiger Aspekt für Unternehmensnachfolge und Qualitätssicherung. Auch die geringe Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ist Ausweis dieses Erfolgs. Gott sei Dank sind diese EU-Pläne aber vom Tisch. Die EU-Deregulierungsbestrebungen gilt es jedoch weiter sehr kritisch zu begleiten.

Wo sehen sie weitere Gefahren?

Vermeintliche Markteintrittsbarrieren hatte die EU-Kommission auch bei den Freien Berufen im Visier. Denken Sie an die Brüssler Pläne, die ein Fremdkapitalverbot bei den Freien Berufen abschaffen sollte und die grundsätzliche Ordnung der Honorare bei den Freien Berufen in Frage stellte. Im Landtag haben wir die Landesregierung damals zu einer kritischen Haltung aufgefordert. Gleiches gilt für das sog. EU-Dienstleistungspaket: Hier sollten die Mitgliedsstaaten gezwungen werden zu prüfen, ob ihre Berufsreglementierungen verhältnismäßig und angemessen sind. Es scheint sich eine Art Überbietungswettbewerb etabliert zu haben, wie die Grundpfeiler von Handwerk und Freien Berufen am besten unterminiert werden können. Davor warne ich! Vielmehr sollten sich Zugangskriterien eines EU-Binnenarbeitsmarktes endlich an den erfolgreichen Modellen der deutschen Berufsreglementierung orientieren!